Natürlich ist es sinnvoll, gleich beim Schären der Kette auf eine gleichmäßige Spannung der Kettfäden zu achten, damit sich nicht irgendwo zwischendurch lockere Kettfäden einschleichen. Nun habe ich aber die Erfahrung gemacht, daß "wie durch ein Wunder" auch bei zunächst gleichmäßiger Spannung die Kettfäden nach dem Schären auf der einen Seite etwas straffer sind als auf der anderen.
Das hat natürlich mit "Wunder" nichts zu tun sondern liegt oft daran, daß die Bolzen der Webstühle, die ja aus Holz sind, unter der Spannung der Fäden meist ein wenig nachgeben und dann nicht mehr zu 100% im rechten Winkel liegen. Sie biegen sich unter dem Druck. Auch der beste Webstuhl ist davon nicht ausgeschlossen, auch wenn man das mit bloßem Auge nicht immer sehen kann. Der Weg der Fäden um die Bolzen herum ist also länger, wenn der Faden ganz nah am Anfang des Bolzens (da, wo er verleimt ist) entlang geht - am anderen Ende des Bolzens ist er kürzer, weil sich der Bolzen unter der Spannung der Kette ein wenig "nach innen neigt".
Diese kleine Veränderung wirkt sich natürlich auf die Spannung der Kette aus - besonders, wenn man die Kette nach dem Schären ein Stück weiter zieht. Dann ist es nämlich meist so, daß die Kettfäden nicht mehr genau an der gleichen Stelle über die Bolzen verlaufen, an der sie beim Schären lagen. Und so kommt es dann oft vor, daß die Fäden, die beim Schären direkt am Anfang des Bolzens lagen, nun weiter in die Mitte des Bolzens wandern, wo sie einer leicht anderen Spannung (nämlich etwas weniger) ausgesetzt sind.
Um das auszugleichen, muß man nun die Kettfäden auf den Bolzen so verteilen, daß die Spannung wieder stimmt. Man kann auch direkt beim Schären daran denken, daß die Kettfäden beim Weben weiter in die Mitte und nach außen rutschen, und das gleich von Anfang an mit einplanen.